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Eritrea: Die Schweiz verstösst gegen die UNO-Antifolterkonvention

Communiqué Petitionsübergabe 13.08.2020 – ACAT-Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Eritreischen Medienbund Schweiz, Give a hand und über 25 weiteren Organisationen.

11’221 UnterzeichnerInnen fordern in einer Petition an Bundesrätin Karin Keller-Sutter ein Ende der äusserst restriktiven Asylpolitikgegenüber EritreerInnen. Initiantin ACAT-Schweiz ruft in Zusammenarbeit mit über 25 Organisationen die Schweiz dazu auf, die UNO-Antifolterkonvention zu respektieren.

11’221 Menschen haben die von ACAT-Schweiz lancierte Petition für eine menschliche Schweizer Politik gegenüber Asylsuchenden aus Eritrea unterschrieben. Am Donnerstag, 13. August 2020 werden VertreterInnen von Schweizer Menschenrechtsorganisationen die Unterschriften der Bundeskanzlei übergeben. 

Die UnterzeichnerInnen fordern von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, eine – zumindest vorläufige – Aufnahme von Asylsuchenden aus Eritrea. Ausserdem soll die Schweiz im Dialog mit den eritreischen Behörden darauf hinwirken, dass sich die Menschenrechtslage in diesem Land wesentlich verbessert. Solange es keine grundlegenden Verbesserungen gibt, sollen keine Verhandlungen über ein Rücknahmeabkommen mit Eritrea stattfinden.

UNO-Antifolterkonvention verbietet Wegweisungen

Das Völkerrecht ist klar und deutlich. Die UNO-Antifolterkonvention verbietet es den Vertragsstaaten, eine Person in einen anderen Staat auszuweisen, abzuschieben oder an diesen auszuliefern, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie dort Gefahr liefe, gefoltert zu werden. NGOswie Amnesty International und Human Rights Watch sowie auch die UNO berichten aber weiterhin von systematischen Menschenrechtsverstössen in Eritrea. Die Rede ist von willkürlichen Festnahmen, Verschwindenlassen, Folter, unbegrenzter Haft, ungeklärten Todesfällen im Gefängnis, fehlenden rechtlichen Garantien, unmenschlichen Bedingungen im Nationaldienst usw. Die Liste bleibt lang, auch nach dem Friedensschluss mit Äthiopien im Jahr 2018.

ACAT-Schweiz muss feststellen, dass die Schweiz gegen die UNO-Antifolterkonvention verstösst. Denn trotz der katastrophalen Menschenrechtslage hältunser Land an seiner extrem restriktiven Asylpraxis gegenüber Geflüchteten aus Eritrea fest. Weder eine illegale Ausreise aus dem Einparteienstaat, noch eine drohende Zwangsrekrutierung in den dortigen Nationaldienst gelten als Grund, in der Schweiz Asyl zu bekommen. Die Folge: Tausende Menschen erhalten einen formellen Wegweisungsentscheid und werden mangels Rücknahmeabkommen mit Eritrea zu Nothilfe-Langzeitbeziehenden; viele tauchen in anderen europäischen Ländern unter – eine unmenschliche, erniedrigende Sackgasse. 

Explizite UNO-Kritik an der Schweiz

Daniela Kravetz, Eritrea-Sonderberichterstatterin der UNO, erwähnte die Schweiz in ihrem Bericht vom 11. Mai 2020 explizit – wie schon 2019. Nicht nur die Bedingungen in der Nothilfe sind für sie besorgniserregend, sondern auch die unsichere Lage der zahlreichen weggewiesenen EritreerInnen, die in weiteren europäischen Ländern ihr Glück versuchen und daraufhin wieder in die Schweiz zurückgeschickt werden. Ebenso äussert Kravetz sich besorgt über die 56 Menschen, die gemäss SEM (Staatssekretariat für Migration) im Jahr 2019 «freiwillig» nach Eritrea zurückkehrten. Noch im April 2020schilderte das Recherchekollektiv Reflekt in einer ausführlichen Reportage die verheerenden Schicksale solcher «freiwilliger Rückkehrer» und stellte dabei fest: «Was mit ihnen dort passiert, weiss in Bern aber niemand so genau.»

Harsche UNO-Kritik an die Adresse der Schweiz übten übrigens schon im Juni 2019 Nils Melzer, Sonderberichterstatter über Folter, Felipe González Morales, Sonderberichterstatter zu den Menschenrechten von Migranten, und Daniela Kravetz in einem siebenseitigen Schreiben.

Während die UNO ihre Besorgnis äussert, sind die zahlreichen Freiwilligen in der Schweiz, die tagtäglich versuchen, vor Folter und Willkür geflohenen Menschen zu helfen, immer wütender und fassungsloser. Ganz zu schweigen von den vielen betroffenen EritreerInnen, die jede Hoffnung verloren haben.


Petitionsübergabe am Donnerstag, 13. August

Bei der Petitionsübergabe sind viele Menschen anwesend, die selber mit den Folgen dieser menschenunwürdigen Asylpraxis leben müssen – entweder als weggewiesene Asylsuchende oder als Freiwillige, die tagtäglich unerträgliche Schicksale miterleben. «Jeder eritreische Asylsuchende hat eine schlimme Geschichte erlebt», betont Tedros Eyasu vom Eritrean Movement of Geneva. «Die Situation in Eritrea bleibt weiterhin entsetzlich.»

Auch Grünen-Präsident Balthasar Glättli verlangt eine rasche und konsequente Änderung der Asylpolitik: «Wir Grünen fordern, dass sich der Bundesrat nicht immer wieder neue Wege ausdenkt, um den eritreischen Flüchtlingen das Leben schwer zu machen, sondern dass man ihnen den Schutz gewährt, den sie brauchen.»

Über vierzig Schweizer Organisationen tragen die Petition mit. «Es ist beschämend», so Katleen De Beukeleer von ACAT-Schweiz, «dass unsere Organisation, die sich seit bald vierzig Jahren für die weltweite Abschaffung von Folter und Todesstrafe einsetzt, die Schweiz zur Einhaltung der Antifolterkonvention aufrufen muss.» Diese bestimmt, dass ein Vertragsstaat eine Person nicht in einen anderen Staat ausweisen, abschieben oder an diesen ausliefern darf, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie dort Gefahr liefe, gefoltert zu werden.

  • Infos und mittragende Organisationen: www.acat.ch/de/aktiv_werden/kampagnen/menschenrechtstag/ 
  • Für Interviews stehen Katleen De Beukeleer, Kommunikation & Kampagnen ACAT-Schweiz, Balthasar Glättli (Präsident der GRÜNEN und Nationalrat/ZH) und Tedros Eyasu (Eritrean Movement of Geneva/Yiakil) zur Verfügung.