medienbund

Interview mit dem Anwalt und Menschenrechtsaktivisten Dr. Daniel Mekonnen

 


von Annelies Djellal-Müller

Dr. Daniel Rezene Mekonnen spielte im Zusammenhang mit dem UNO- Menschenrechtsbericht über Eritrea eine wichtige Rolle. Er war eine Schlüsselperson, was das Einholen von unzähligen Zeugenaussagen von Angehörigen der eritreischen Diaspora-Communities angeht, welche später der Untersuchungskommission (COI) übergeben werden konnten. Diese Zeugenaussagen bilden die Basis für die Schlussfolgerung der Untersuchungskommission, nach welcher in Eritrea seit 1991 Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt worden sind.

 
Inhalt
1. Über den Einfluss regimetreuer Aktivisten in der Schweiz
2. Über die Auswirkungen von Verhandlungen europäischer Regierungen mit nordostafrikanischen Diktatoren auf die Flüchtlinge und auf die eritreische Demokratiebewegung
3. Die Situation von unbegleiteten Minderjährigen in den Nachbarländern Eritreas
4. Die Auswirkungen des UN-Menschenrechtsberichts auf die nationale und internationale Politik
5. Die vom SEM eingeführte Praxisänderung und deren Auswirkungen auf abgewiesene eritreische Flüchtlinge
6. Die 2%-Steuer (Diasporasteuer) und andere Einkommensquellen der eritreischen Regierung

1. Über den Einfluss regimetreuer Aktivisten in der Schweiz

Angesichts der Tatsache, dass das politische Klima in der Schweiz immer fremdenfeindlicher wird, werden eritreische Flüchtlinge oft absichtlich oder aber aus Unwissenheit nicht mehr als „tatsächliche Flüchtlinge“ wahrgenommen. Ich weiss jedoch, dass die Haltung gegenüber dem Afewerki-Regime auch innerhalb der eritreischen Diaspora sehr umstritten ist. Wie ich es wahrnehme, handelt es sich bei dieser Kluft zwischen Befürwortern und Regimegegnern hauptsächlich um einen Generationenkonflikt. Die Kluft scheint zwischen denjenigen Eritreern, die vor der Unabhängigkeit nach Europa oder in die USA emigriert sind und zwischen denen, die das zunehmend brutale Regime Afewerkis selbst miterlebt haben, zu verlaufen. Ich habe den Eindruck, dass die Mitglieder dieser „alten Generation“ noch immer einen grossen Einfluss auf den Diskurs ausüben, nicht zuletzt deshalb, weil sie die Landessprache(n) ihrer Zielländer beherrschen und deshalb oft als Übersetzer und sogar Betreuungspersonen in Asylunterkünften eingesetzt werden. Viele Entscheidungsträger nehmen diese Leute als Schlüsselpersonen wahr (ganz zu schweigen vom berüchtigten eritreischen Honorarkonsul Toni Locher, welcher in beinahe jede Mediendebatte als Experte zum Thema eingeladen wird!).

Dr. Mekonnen, würden Sie meinen Eindruck teilen, dass diese Exponenten ziemlich viel Schaden anrichten, indem sie die jungen Eritreer in der Schweizer Öffentlichkeit als reine „Wirtschaftsflüchtlinge“ diskreditieren?
Mekonnen: Ja, sie richten in der Tat grossen Schaden an, indem sie auch der Presse gegenüber immer wieder betonen, die Situation in Eritrea sei eigentlich besser, als dass sie allgemein wahrgenommen würde. Über die Motivation für ein solches Verhalten kann ich nur spekulieren. Ein sehr menschlicher Grund könnte sein, dass einige dieser Regimebefürworter, die in den 80er Jahren in die Schweiz kamen, sehr lange mit einem ungewissen Asylstatus gelebt haben. Nun sind sie vielleicht eifersüchtig auf die Jungen, die aus ihrer Sicht sehr unproblematisch und rasch als Flüchtlinge anerkannt werden und dann ihre Aufenthaltserlaubnis erhalten.
Ein weiterer Grund ist sicher, dass diese Menschen Ende der 80er Jahre als junge Erwachsene oder gar Jugendliche nach Europa kamen. Damals war der Befreiungskampf in einer entscheidenden Phase, und viele Menschen haben damals ihr Leben verloren. Die Geflüchteten möchten ihre Rolle aus dieser Zeit vielleicht dadurch korrigieren, dass sie sich nun als ganz besonders loyale Eritreer darstellen. Das beinhaltet auch die Unterstützung des Afewerki-Regimes um jeden Preis.

Wenn dies so ist: Wie gehen diese Regimebefürworter vor?
Die Regime-Befürworter sind sehr gut organisiert. Ihre Aktivitäten werden direkt vom eritreischen Konsulat in Genf aus gesteuert. In jeder Stadt gibt es Community Leader, welche die Anweisungen der Konsulatsangestellten, wovon mir namentlich zwei bekannt sind, direkt an ihre Anhänger weitergeben. Dabei treten sie zum Teil äusserst dreist auf. Am 21. Juni 2016, also am Tag, an welchem die Demonstration gegen den UNO-Menschenrechtsbericht stattfand, wurde ich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den UN-Büros (UNOG) von 10 bis 15 Regimebefürwortern umringt. Sie haben mich buchstäblich durch die Strassen Genfs gejagt. Momentan ist der Fall, der glücklicherweise durch Videoaufzeichnungen dokumentiert ist, bei der Genfer Justiz hängig. Zuweilen artet das Ganze auch in Schlägereien aus. Ein Bekannter von mir wurde kurz vor Weihnachten 2013 in Bern von Regimebefürwortern derart geschlagen, dass er schwere Kopfverletzungen davontrug. Im Nachgang kam es dann an Heilig Abend vor der Reitschule zu einer Schlägerei, während der eine auf Grund ihrer zahlreichen Projekte mittlerweile relativ geachtete Schlüsselperson, die aber auch als Regimetreu bekannt ist und darüber hinaus als Sprecher des eritreischen Kulturvereins in Bern fungiert, mit einer Flasche verletzt wurde. Dieser Mann war meines Wissens zwar nicht an der Attacke auf meinen Bekannten beteiligt, war jedoch an Heilig Abend in Gesellschaft der Angreifer unterwegs. Das ist doch zumindest problematisch, wenn man bedenkt, dass dieser Mann von vielen Spezialisten aus dem Schweizer Migrationsbereich als Schlüsselperson in Sachen Eritrea betrachtet wird. Darüber hinaus arbeitet er mit minderjährigen Flüchtlingen. Ich muss jedoch einräumen, dass er sich in seiner regierungsfreundlichen Rhetorik in Konferenzen meinen Beobachtungen zufolge in der Zwischenzeit gemässigt hat.

Wie funktioniert die Propaganda der Regimebefürworter?
Die Propaganda der Regimebefürworter ist leider äusserst effizient. Sie erzählen den Neuankömmlingen, dass die UNO und die westlichen Staaten beabsichtigten, Eritrea erneut unter äthiopische Kontrolle zu bringen, das heisst, die hart erkämpfte Unabhängigkeit wieder rückgängig zu machen. Es gibt tatsächlich viele Neuankömmlinge, die diesen Aussagen Glauben schenken! Im Vorfeld zur Publikation des UNO-Menschenrechtsberichts sind Regimeanhänger denn auch zu den Empfangszentren gegangen und haben dort von Neuankömmlingen eine Petition gegen die Veröffentlichung unterzeichnen lassen. Dies haben mehrere Neuankömmlinge dem zuständigen UNO-Gremium gegenüber im Nachhinein bestätigt. Diese Aussage ist hierdurch also belegbar. Viele haben tatsächlich unterschrieben, weil sie ohnehin völlig verunsichert sind.
Für die Demonstration am 21. Juni gegen den UNO-Bericht haben sie in jeder Stadt extra Busse bereitgestellt. Natürlich haben wir von der Opposition dies auch getan, doch immerhin richtet sich unser Protest gegen ein Regime, das uns zur Flucht gezwungen hat. Die Regimebefürworter hingegen hätten, da sie ja mit dem Regime keinerlei Probleme haben, jederzeit die Möglichkeit, nach Eritrea zurückzukehren. Wieso tun sie das nicht und führen stattdessen ihre regimefreundlichen Aktivitäten von der Schweiz aus fort?

Wer kontrolliert diese Leute?
Wie bereits erwähnt, werden die Regimebefürworter direkt vom Konsulat in Genf aus gesteuert. Daneben gibt es einige fanatische AktivistInnen. Eine Restaurantbesitzerin aus Genf beispielsweise kontrolliert die Frauen und deren Verbände sehr effizient. Da genügt ein Telefonanruf, und alle tun, was sie ihnen vorgibt.

Auf wen zielt die Propaganda der Regierungstreuen vor allem ab?
Natürlich haben die Regimebefürworter auch die Jungen im Blick, die sie gezielt einzuschüchtern und zu beeinflussen suchen.

Wie gross ist die Gefahr, dass Regimetreue Aktivisten Flüchtlinge z.B. dadurch ausspionieren, indem sie diese in ihre Vereine und Organisationen locken?
Natürlich sind die eritreischen Vereine ein idealer Ort, um an die Neuankömmlinge heranzukommen. Sie geben vor, soziale Aktivitäten oder Integrationsprojekte durchzuführen, um so direkt ihren Einfluss auf die Mitglieder ausüben zu können. Der Bericht im 20-Minuten vom 3. September 2015 über den eritreischen Kulturverein in Bern ist hierfür ein gutes Beispiel. Die neu Angekommenen sind verunsichert und erhoffen sich von den Alteingesessenen Informationen und ein Gefühl der Heimat. Diese sagen ihnen, dass sie rasch und problemlos Aufenthaltsbewilligungen erhalten können, ermahnen sie aber gleichzeitig, keine „geheimen Informationen“ über ihr Land preiszugeben. Doch gerade diese Informationen bezüglich Republikflucht und Fluchtgründe sind am Ende ausschlaggebend für den Ausgang eines Asylverfahrens.
Ich kenne jemanden, der von einem Übersetzer des SEM direkt nach der Bundesanhörung dafür kritisiert worden ist, zu viele Informationen preisgegeben zu haben und damit dem Ansehen Eritreas zu schaden. Pikant an der Geschichte ist, dass derselbe Übersetzer heute zwar nicht mehr für das SEM tätig ist, jedoch weiterhin für die Migrationsbehörden des Kanton Genf übersetzt.

Wie anfällig sind die Neuankömmlinge für diese Art der Manipulation?
Leider sind die Neuankömmlinge dieser Propaganda gegenüber sehr anfällig, obgleich dies auf den ersten Blick absurd erscheint. Aber sie sind ja in gewisser Hinsicht von den Aussagen der Alteingesessenen abhängig, weil sie das System nicht oder nur unzureichend kennen; von der Rolle, welche die Übersetzer in einem Asylverfahren spielen, einmal ganz abgesehen. Ich kann nicht ausschliessen, dass Regimebefürworter, die hier für staatliche oder kantonale Behörden tätig sind, Informationen an den eritreischen Sicherheitsdienst weitergeben. Was die Übersetzer anbelangt, tun die Schweizer Behörden meiner Ansicht nach zu wenig. Klar hat das SEM momentan andere Probleme, aber meines Wissens sind gerade zwei der für das SEM tätigen Übersetzer tatsächlich neutral. Ich wünsche mir, dass die Schweiz nach holländischem Vorbild den Hintergrund eines jeden Übersetzers genau prüft. Der von der zuständigen Firma „the Services“ aufgestellte und für Übersetzer bzw. Dolmetscher für die niederländischen Migrationsbehörden (IND) gültige Kodex besagt: „Weder Sie noch Ihre Familie ersten oder zweiten Grades stehen (oder standen) in Beziehung zu einem Regime, mit welchem ausländische (Gesuchsteller) Schwierigkeiten gehabt haben.“ Wer auch nur mit Botschaftsangehörigen Kaffee trinkt, müsste seinen Posten sofort verlieren. Das ist eine Nähe zum Regime, die für mich unhaltbar ist.
Für jeden Neuankömmling, der sich momentan noch im Asylverfahren befindet, ist es ja auch nachteilig, wenn er oder sie sich mit Regimebefürwortern umgibt. Wenn also die eritreischen Vereine dem Regime nahestehen ist es nicht verwunderlich, dass hernach in der Schweizer Presse Schlagzeilen wie „Eritreische Flüchtlinge feiern mit Regimebefürwortern“ zu lesen sind. Das schadet ganz klar dem Ansehen dieser jungen Flüchtlinge und ist daher meiner Ansicht nach hochproblematisch.

2. Über die Auswirkungen von Verhandlungen europäischer Regierungen mit nordostafrikanischen Diktatoren auf die Flüchtlinge und auf die eritreische Demokratiebewegung

Meine nächsten Fragen drehen sich um den sog. Khartum-Prozess, also die Verhandlungen zwischen der EU mit einigen nordostafrikanischen Regimes. Diese im Rahmen dieses Prozesses geplante Zusammenarbeit erscheint recht zynisch, wo doch der sudanesische Machthaber Omar Al-Basheer seit Jahren vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal erscheinen sollte. Sie und viele Teilnehmer an der Demonstration im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des letzten UNO-Menschenrechtsberichts würden auch den eritreischen Präsidenten Afewerki gerne am selben Ort sehen.
Auf Asmarino.com habe ich alarmierende Berichte gelesen, die besagen, dass die berüchtigten Janjawit-Milizen im Sudan jetzt mit dem Segen der Regierung Jagd auf eritreische Flüchtlinge machen, um diese dann nach Eritrea deportieren zu können.

Für wie glaubhaft halten Sie derlei Berichte?
Dazu kann ich momentan nichts Abschliessendes sagen. Ich muss dieser Sache zunächst gründlich nachgehen. Wenn jedoch im Rahmen des Khartum-Prozesses Gelder nicht nur für Entwicklungshilfe, sondern auch für den Aufbau von Grenzcorps und Sicherheitskräfte bereitgestellt werden, dann halte ich es für wahrscheinlich, dass Al-Basheer hierzu wieder seine Janjawit-Milizen einsetzt.
Ich habe auch gelesen, dass dem eritreischen Regime $200 Mio. als sog. Entwicklungshilfe versprochen oder bereits ausbezahlt worden seien. Wenn dies stimmt, müsste das doch ein Schlag nicht allein in ihr eigenes, sondern auch ins Gesicht der Vereinten Nationen sein. Wissen Sie, wie weit diese Verhandlungen mit der eritreischen Regierung vorangetrieben worden sind?
Ja, diese Zahlungen sind 2015 erfolgt. Eins muss jedoch von vornherein klargestellt werden: Der eritreischen Regierung geht es nicht in erster Linie um das Geld. Devisen beschafft sich das Regime mittlerweile auch auf anderen Kanälen, so z.B. durch den Verkauf von Gold. Der springende Punkt ist, dass das Afewerki-Regime durch derartige Zahlungen eine Art internationale Rehabilitation erfährt. Es kommt so wieder in die Position, mit den westlichen Staatschefs auf Augenhöhe verhandeln zu können. Darum geht es Afewerki vor allem. Die EU hofft, die eritreische Regierung durch Zugeständnisse zu einer Kursänderung bewegen zu können. Sie betreibt also eine Art Appeasement-Politik, was in meinen Augen absolut naiv ist. Das Regime will nichts verändern, aber es wird durch solcherlei Zugeständnisse weiterhin an der Macht gehalten. Für uns Oppositionelle ist eine solche Entwicklung nur noch frustrierend.

Und wie beurteilen Sie die Tatsache, dass Gelder nicht nur für Entwicklungshilfe, sondern auch für den Aufbau von Grenzkorps und Polizeieinheiten bereitgestellt werden sollen, um so den Strom von afrikanischen Migranten in Richtung Europa eindämmen zu können?
Es ist unbestritten, dass der Khartum-Prozess die Rechte von eritreischen Flüchtlingen in negativer Weise tangiert. Das ist jedoch ein sehr breites Thema, welches von den Vorgängen an der eritreischen Grenze, wo immer noch strikter Schiessbefehl herrscht, bis in die furchtbaren Foltercamps im Sinai und in Libyen hineinreicht. Der Khartum-Prozess ist politisch motiviert. Es sind so viele eritreische Flüchtlinge nach Europa gelangt, dass es für die Staatschefs des Kontinents anscheinend nur noch darum geht, diesen Flüchtlingsstrom zurückzudrängen.

Welche Zukunftsaussichten birgt diese Zusammenarbeit zwischen Europa und Afewerki für die eritreische Opposition?
Für die eritreische Demokratiebewegung sind Verhandlungen mit dem PFDJ-Regime natürlich ein Schlag ins Gesicht. Man muss sich das einmal vorstellen: Die eritreische Regierung erhält für ihr Unterdrückungsregime noch Geld, während in den Aufbau einer Zivilgesellschaft kein Cent investiert wird. Für uns, welche die Einhaltung der Menschenrechte und ein demokratisches System fordern, ist das sehr frustrierend. 2012 habe ich gemeinsam mit der holländischen Professorin Myriam Vanrysen untersucht, ob Verhandlungen der EU mit einem Regime wie demjenigen von Isaias Afewerki rechtlich überhaupt zulässig sind. Wir sind in einer ausführlichen Expertise klar zum Schluss gelangt, dass sie nach europäischer Gesetzgebung nicht stattfinden dürften. Doch hier spielen wie gesagt politische Interessen eine Rolle, und die werden in dem Fall offensichtlich höher gewichtet als das Wohl der eritreischen Bevölkerung. Das Dilemma kann mit der Aussage eines belgischen Diplomaten illustriert werden, die er mir gegenüber im Rahmen eines Hearings vor dem europäischen Parlament bereits im Dezember 2009 gemacht hat. Er räumte schon damals ein, dass sich eine Entwicklungszusammenarbeit mit dem eritreischen Regime niemals positiv auf die Menschenrechtslage auswirken werde. Jede Art von Zugeständnis diesem Regime gegenüber sei daher vollkommen fehlgeleitet.

3. Die Situation von unbegleiteten Minderjährigen in den Nachbarländern Eritreas

In meiner täglichen Arbeit als Beraterin bin ich mit mindestens drei furchtbaren Fällen konfrontiert, in denen Eltern von Eritrea eines oder mehrere unbegleitete Kinder entweder in Äthiopien oder im Sudan zurücklassen mussten. Werden diese Eltern von der Schweiz nicht als Flüchtlinge anerkannt und erhalten deshalb lediglich eine vorläufige Aufenthaltsbewilligung (F Politik oder F humanitär), dann verbietet die Schweizer Gesetzgebung, dass diese Kinder mit ihren Müttern und/oder Vätern vereint werden. Ich habe diesbezüglich alle zuständigen Organisationen auf nationaler und internationaler Ebene kontaktiert, um mehr über das Ausmass dieser Problematik herauszufinden. Doch bislang habe ich keine brauchbaren Antworten erhalten.

Wissen Sie, wie viele unbegleitete minderjährige Eritreer in Äthiopien oder im Sudan in den letzten Jahren zurückgelassen worden sind?
Auch ich habe dazu keine genauen Zahlen. Es sind aber viele Minderjährige, die momentan unbegleitet in Äthiopien und im Sudan unterwegs sind. Ich möchte mich mit diesem Thema schon lange vertiefter auseinandersetzen. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann ist, dass in den vergangenen Jahren fast nur noch junge und sogar sehr junge Leute Eritrea verlassen. Warum das so ist? Es gibt dort fast keine Erwachsenen mehr. Die haben das Land schon lange verlassen. Man sieht auf den Strassen praktisch keine 20 bis 35jährigen mehr. Das ist eine demographische Katastrophe.
Was geschieht mit diesen Kindern und Jugendlichen?
Diese Kinder landen in völlig überfüllten Flüchtlingslagern des UNHCR. Dort sind die Lebensbedingungen katastrophal. Die Leute sind dann dazu verdammt, abzuwarten, bis sie auf legalem Weg weiterreisen dürfen. Andernfalls machen sie sich eben irgendwann alleine auf den Weg durch die Sahara in Richtung Europa, wo sie dann eine leichte Beute für Menschenhändler werden.

4. Die Auswirkungen des UN-Menschenrechtsberichts auf die nationale und internationale Politik

Meine nächsten Fragen beziehen sich auf die Reaktionen auf die Veröffentlichung des UN-Menschenrechtsreports zu Eritrea. Damit verbunden waren zahlreiche Kundgebungen in Genf, Addis, New York usw.

In einem Facebook-Post vom 2. Juli 2016 haben Sie geschrieben, dass der UNO-Menschenrechtsrat plane, bald die endgültige Fassung einer Resolution zu veröffentlichen. Ist das mittlerweile geschehen?
Ja, die Resolution ist mittlerweile fertig. Letzte Woche habe ich eine Kopie davon erhalten.

Was beinhaltet diese Resolution?
In der Resolution gibt es einige Paragraphen, die sehr wichtig sind. Zum einen wird das Mandat der UNO-Sonderbotschafterin Sheila Keitarut um ein weiteres Jahr verlängert. Sie wird also verfolgen können, ob das Regime in Asmara die Empfehlungen, die im Bericht festgehalten wurden, also z.B. den Zugang ausländischer Beobachter zu den geheimen Haftanstalten, auch tatsächlich umsetzt. Sie wird ihre Ergebnisse vor dem UNO-Menschenrechtsrat präsentieren und auch einen schriftlichen Bericht hierzu verfassen. Für März 2017 ist ein mündlicher Bericht vor dem Sonderausschuss des UNO-Menschenrechtsrates geplant, und im Juni 2017 wird dann ein schriftlicher Bericht erfolgen.
Paragraph 18 sieht vor, dass alle schriftlichen Berichte den zuständigen UNO-Gremien, z.B. auch dem UNO-Sicherheitsrat, vorgelegt werden müssen. Der Sicherheitsrat wird dann beschliessen, ob der Fall Eritrea an das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag übergeben wird. Ich sehe hierfür gegenwärtig eine Chance von 50%. Zum anderen nimmt Paragraph 19 erstmals auch die afrikanische Union mit in die Verantwortung. Auch sie ist angehalten, die Situation in Eritrea genau zu beobachten.

Wie erklären Sie sich, dass sich die europäischen Regierungen trotz des Berichts und trotz der Massen an eritreischen Flüchtlingen, die hier jeden Monat eintreffen, immer noch dagegen sträuben, die prekäre Menschenrechtssituation in Eritrea zur Kenntnis zu nehmen?
Es ist wahr, dass die europäischen Regierungen von eritreischen Flüchtlingen gegenwärtig geradezu überrannt werden. Es ist zweifelsohne eine humanitäre Katastrophe, die sich da abspielt, und meiner Ansicht nach sind sich die europäischen Regierungschefs hierüber auch im klaren. Mehrere Diplomaten haben mir gegenüber jedoch klar gesagt, dass es momentan einfach keine Alternative zum PFDJ-Regime gebe. Nach einem Sturz der Regierung befürchten sie daher ein Machtvakuum, was Zustände wie gegenwärtig in Somalia zur Folge hätte. Dies wollen die Europäer schlicht nicht riskieren. Die gleichen Diplomaten haben aber auch durchblicken lassen, dass sie die Regierung Afewerki fallen lassen würden, sollte die Opposition sich dereinst auf eine annehmbare Nachfolgelösung einigen können. Leider ist die Opposition momentan aber heillos zerstritten, und das Regime in Asmara tut alles, um diesen Unfrieden weiter zu schüren. Hinzu kommt, dass viele Eritreer nach dem 30jährigen Unabhängigkeitskrieg und den 25 Jahren Unterdrückung durch die PFDJ einfach den Glauben an politische Lösungen verloren haben. Sie sind deshalb kaum noch erreichbar für prodemokratische Gruppierungen. Somit gehe ich nicht davon aus, dass sich in Eritrea bald etwas zum Bessern ändern wird. Wir MenschenrechtsaktivistInnen müssen hier umdenken und stärker zusammen arbeiten. Zudem müssen wir künftig noch viel mehr an der Basis aktiv sein, indem wir beispielsweise den Aufbau von Grassroot-Bewegungen fördern.

Wieso haben die Schweizer Medien nicht über die Kundgebung vom 23. Juni 2016 in Genf berichtet? Es scheint mir, als ob dieses Ereignis an einem Grossteil der Schweizer Bevölkerung quasi unbemerkt vorbeigegangen sei. Stimmt diese Wahrnehmung?
Ehrlich gesagt habe ich das selbst nicht wirklich verstanden. Immerhin haben sich aus Anlass der Veröffentlichung des Berichts über 12’000 Diaspora-Eritreer aus ganz Europa versammelt, um gegen das Regime zu demonstrieren und Afewerkis Auslieferung an das internationale Kriegsverbrechertribunal zu fordern. Im Vorfeld zur Demonstration vom 23. Juni habe ich diverse Journalisten persönlich eingeladen, mit dabei zu sein. Leider war das Echo enttäuschend. Vielleicht hat ein anderes Ereignis, welches gleichentags stattfand, die Aufmerksamkeit der Medien beansprucht, aber eventuell stecken dahinter auch einfach innenpolitische Gründe.

5. Die vom SEM eingeführte Praxisänderung und deren Auswirkungen auf abgewiesene eritreische Flüchtlinge

Der nächste Fragenkomplex behandelt die Praxisänderungen im Umgang mit eritreischen Asylsuchenden. Am Tag der Kundgebung, also am 23. Juni 2016, hat das Staatssekretariat für Migration verlauten lassen, dass es die Kriterien, welches es in Bezug auf die Anerkennung von eritreischen Gesuchstellern als Flüchtlinge anwendet, verschärft hat.

Was halten Sie von dieser Praxisänderung?
Ich muss gestehen, dass ich die Verlautbarung des SEM hierzu noch nicht gelesen habe. Allerdings habe ich eine Menge über die Verschärfungen gehört und kann deshalb zunächst mit Bestimmtheit sagen, dass alle Eritreer während der vom SEM selbst angegebenen Altersjahren zum Ableisten des National Service verpflichtet sind. Die wenigen Ausnahmen (Schwangere, verheiratete Frauen) nennt das SEM ebenfalls. Es ist jedoch in Eritrea bestimmt nicht Common Practice, dass jeder Betroffene einen Einberufungsbefehl erhält, den er dann dem SEM als Beweis für seine Teilnahme am Militärdienst bzw. am National Service vorlegen könnte. Vergessen wir nicht: Viele junge Menschen werden direkt von der Strasse weg eingezogen und in die Trainingseinrichtungen gebracht. Welchen Beweis sollen diese Leute beibringen? Es gibt schlicht keine Beweise für so etwas. Auch wenn man wegen Dienstverweigerung verhaftet wird, lässt sich das kaum beweisen. Man wird offiziell nämlich erst dann entlassen, wenn man den Dienst abgeleistet hat. Will heissen: Zunächst kommt man in ein Militärgefängnis, von dort aus wird man dann direkt wieder in ein Trainingscenter gebracht.
Meiner Ansicht nach geht es bei den vom SEM eingeführten Verschärfungen lediglich darum, die Zahl der anerkannten eritreischen Flüchtlinge zu reduzieren. 
Unter den eritreischen Asylsuchenden hat die neue Praxis bereits die erwünschte Wirkung gezeitigt. Ein Freund, der neulich in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt hat, berichtete mir, dass die eritreischen Neuankömmlinge hierzulande gar keine Fingerabdrücke mehr abgeben wollen. Stattdessen versuchen sie nun, irgendwie weiterzukommen, z.B. nach Deutschland, wo diese Verschärfungen meines Wissens noch nicht existieren. Die Schweiz erscheint diesen neuangekommenen Flüchtlingen ganz einfach nicht mehr ein Land zu sein, in welchem sie Schutz vor der Unterdrückung in ihrem Heimatland erwarten können.

Was bedeutet es, wenn Gesuchsteller ihre illegale Ausreise aus Eritrea den Schweizer Behörden gegenüber glaubhaft machen, sie ihnen also quasi beweisen müssen?
Wie um alles in der Welt sollen sie das denn beweisen? Die Grenzüberquerung wird ja illegal gemacht. Hierzu gibt es riesige, gut organisierte Netzwerke, die für ihre Dienstleistungen ganz bestimmt keine Quittungen ausstellen. Ich frage mich zuweilen, wie fernab von der Realität die Verantwortlichen im Staatssekretariat für Migration eigentlich sind! Wie kann man denn einen Beweis für eine Handlung verlangen, welche im Heimatland der Asylsuchenden als Straftatbestand angesehen wird? Genau das ist Republikflucht in den Augen des eritreischen Regimes nämlich: eine strafbare und demnach ungesetzliche Handlung.

Was bedeutet es, wenn Gesuchsteller, die noch kein Aufgebot für den Militärdienst erhalten haben, inskünftig nicht mehr als Flüchtlinge anerkannt werden?
Zunächst müssen wir uns über eine Sache klar werden: Das militärische Training, das meist in Sawa stattfindet, schliesst direkt an die 11. Schulklasse an. Wenn die Jugendlichen also nach Sawa geschickt werden, sind sie 16 oder 17 Jahre alt, also noch minderjährig. Viele dieser Minderjährigen verlassen Eritrea nun, bevor sie überhaupt dorthin einberufen werden, denn sie kennen ja das System. Diese minderjährigen Flüchtlinge werden folglich keinerlei Beweise dafür beibringen können, dass sie vor dem Militärdienst aus Eritrea geflohen sind, obgleich genau dies ihr Fluchtmotiv war.
Bezüglich der Integration des militärischen Trainings ins Schulsystem kann ich im Übrigen auch bestätigen, dass es dazu führt, dass vor allem Mädchen immer früher heiraten. Sie versuchen damit der Einberufung zu entgehen. Viele Jugendliche brechen auch die Schule frühzeitig ab und versuchen, im Untergrund zu arbeiten.

Was wird aus Ihrer Sicht mit Flüchtlingen geschehen, welche den Forderungen der eritreischen Regierung nachgekommen sind, d.h., die das Entschuldigungsschreiben (repetance form) beim Konsulat eingereicht und die 2%-Steuer bezahlt haben, wenn sie daraufhin in ihr Heimatland zurückkehren?
Wie bereits erwähnt, ist in Eritrea allein der Tatbestand der Republikflucht strafbar. Warum sollten sich diese Menschen also mit dem Gang zum eritreischen Konsulat freiwillig an einen Staat ausliefern, der sie quasi als Kriminelle betrachtet? Ich versichere Ihnen, dass die vom SEM vorgeschlagenen Versöhnungsgesten diesen abgewiesenen Flüchtlingen keinerlei Garantie dafür geben, dass sie nach ihrer Rückkehr in Eritrea in Sicherheit leben können. Natürlich sind auch Repressalien gegenüber Familienangehörigen im Land selbst nicht auszuschliessen, wenn ein Abgewiesener Eritreer mit dem Konsulat hier in der Schweiz Kontakt aufnimmt.

Was wird passieren, wenn europäische Regierungen beginnen, Flüchtlinge unter Zwang nach Eritrea zurückzuschicken?
Zunächst können sie in Eritrea inhaftiert und gefoltert werden. Sie können sogar aussergerichtlich exekutiert werden. Sollte dies nicht eintreffen, garantiere ich Ihnen jedoch zu 100%, dass sie nach ihrer Ankunft umgehend wieder in ein Militärlager gebracht werden, wo sie weiter Zwangsarbeit leisten müssen, und dies auf unbestimmte Zeit.

6. Die 2%-Steuer (Diasporasteuer) und andere Einkommensquellen der eritreischen Regierung

Letztes Jahr wurde das Bundesamt für Polizei (FedPol) damit beauftragt zu untersuchen, ob die Praxis des eritreischen Konsulats, von hier lebenden Diaspora-Eritreern die sog. 2%-Steuer einzutreiben, gesetzeskonform sei. Kurz darauf wurden die Untersuchungen aber wieder eingestellt.

Wieso ist das Ihrer Ansicht nach geschehen?
Ich war selbst in diese Angelegenheit involviert. Im Spätsommer 2015 haben wir gemeinsam mit Georg Humbel, dem Journalisten vom Schweizer Fernsehen, der diesen Missstand aufzudecken half, Anzeige erstattet. Das Problem war, dass die gesamte Korrespondenz auf Deutsch gelaufen ist, während ich selbst nur Englisch verstehe. Ich kann demnach keine Aussagen darüber machen, wieso die Untersuchungen der FedPol schliesslich eingestellt worden sind. In Kanada hingegen wurde der für die Machenschaften Verantwortliche eritreische Diplomat nach Bekanntwerden umgehend als Persona non Grata deklariert und innert 24 Stunden des Landes verwiesen. Mit dem Eintreiben der 2%-Steuer hat er klar gegen kanadische Gesetze verstossen. Ähnlich wird das in Schweden gehandhabt. Ehrlich gesagt sehe ich keinen Unterschied zwischen der Situation beispielsweise in Kanada und derjenigen in der Schweiz. Dass das Verfahren eingestellt wurde, stimmt mich auf alle Fälle traurig. Diplomatische Einrichtungen haben schlicht und ergreifend kein Recht, in einem anderen Land Steuern einzutreiben. Doch genau dies tut Eritrea in der Schweiz.

Wie wichtig sind die Einnahmen aus dieser 2%-Steuer für das Überleben der eritreischen Regierung?
Finanziell generiert das eritreische Regime aus dieser 2%-Steuer natürlich Devisen, aber deren Wichtigkeit sollte angesichts der anderen Einnahmequellen nicht überschätzt werden. Die 2%-Steuer dient dem Regime vornehmlich dazu, die eritreischen Gemeinschaften in der Diaspora zu überwachen.
Wieso zahlen auch Flüchtlinge, die neu hier ankommen, zuweilen die 2%-Steuer?
Sollten diese Menschen irgendeine Dienstleistung von Seiten des eritreischen Konsulats benötigen, dann sind sie gezwungen, die 2%-Steuer zu bezahlen. Zum Beispiel kann es vorkommen, dass jemand eine staatlich ausgestellte Geburtsurkunde oder eine ID für das Zivilstandsamt braucht. Dann ist man unbedingt darauf angewiesen, dass die Konsulatsangestellten kooperieren. Manchmal bezahlen Leute aber auch einfach nur, um ihre Familienangehörigen zu Hause vor Repressalien zu schützen. Es kommt nämlich durchaus vor, dass auf Letztere Druck ausgeübt wird, wenn sich ein Diaspora-Eritreer weigert, die Steuer zu entrichten.

Welche anderen Einnahmequellen sichern gegenwärtig den Machterhalt des eritreischen Regimes?
Die Regierung verkauft z.B. in grossem Stil Gold, denn in Eritrea gibt es beachtliche Goldvorkommen. Ich kann Ihnen versichern, dass das Afewerki-Regime trotz der internationalen Sanktionen keinerlei finanzielle Probleme hat. Es ist in viele gesetzeswidrige Angelegenheiten verwickelt, die jedoch kaum nachzuweisen sind. Aber abgesehen davon ist der Hafen von Asep am Roten Meer jetzt angeblich offen für den Handel mit Saudiarabien und anderen Ländern des Nahen Ostens. Militärische Aktivitäten sind hier mit eingeschlossen. Das bringt dem Land ebenfalls Devisen. 
Der Grund, weswegen die Menschen in Eritrea so arm sind, ist rein politisches Kalkül. Die Machthaber wollen die Bevölkerung in ihren prekären Lebensbedingungen belassen, um sie so einfacher kontrollieren zu können. Wären die Menschen nicht mehr allein mit dem täglichen Überleben beschäftigt, dann kämen sie eventuell auf den Gedanken, das Regime in Frage zu stellen.

Wie glaubwürdig sind Berichte auf Asmarino.com, wonach ein kanadisches Unternehmen direkt vom System der Zwangsarbeit profitiert, weil nämlich das Gold, das es aus Eritrea exportiert, von Angehörigen im National Service gewonnen wird?
Diese Berichte sind sogar sehr glaubwürdig. Drei Eritreer haben in der Provinz British Columbia deswegen sogar einen Gerichtsfall gegen Nevsun Ressources lanciert, weil das Unternehmen direkt von sklavereiähnlicher Arbeit im Rahmen des National Service profitiert. Man muss sich das einmal vorstellen! Ich habe keine Zweifel daran, dass dies tatsächlich so stattgefunden hat. Während der Recherchen für den UN-Menschenrechtsbericht habe ich selbst mit Leuten gesprochen, die unter sklavenähnlichen Zuständen in eritreischen Minen gearbeitet haben.
(Anmerkung: Im oben erwähnten Gerichtsfall ist inzwischen das Urteil gesprochen worden. Gemäss Urteil des Obergerichts der kanadischen Provinz British Columbia haben die drei eritreischen Opfer, welche für Nevsun Ressources in Eritrea gearbeitet haben, das Recht, vor einem kanadischen Gericht zu den in Eritrea an ihnen begangenen Straftaten angehört zu werden. Nevsun versuchte zu verhindern, dass der Fall durch ein kanadisches Gericht behandelt würde. Das Unternehmen argumentierte, dass die Kläger auch in Eritrea ein faires Gerichtsverfahren erwarten könnten. Das kanadische Gericht wies die Behauptung von Nevsun Ressources zurück. Es stellte fest, dass in Eritrea gegenwärtig keine freie und unabhängige Gerichtsbarkeit existiere, welche in der Lage sei, den Klägern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Das Urteil bedeutet, dass das Gericht die Kläger nun zu deren Anschuldigungen, nach denen Nevsun Ressources in Verbrechen gegen die Menschlichkeit, z.B. in den Tatbestand der Zwangsarbeit, verwickelt sei, anhören wird. Demnach wird nun zum ersten Mal ein kanadisches Unternehmen von einem kanadischen Gericht für angeblich begangene Menschenrechtsverletzungen im Ausland zur Rechenschaft gezogen.)

Kürzlich (um den 20. September 2016 herum) machten Gerüchte über einen Cholera-Ausbruch in Eritrea auf Facebook die Runde. Ist auch diese Information glaubwürdig? Wenn ja: Wie geht die eritreische Regierung mit dieser Sache um?
Ja, leider ist auch diese Information glaubwürdig. Es gibt in Eritrea eine Untergrundbewegung mit dem Namen „Arbi Hanet“ (Engl. Freedom Friday). Diese Grassroot-Bewegung ist direkt in Eritrea aktiv und arbeitet aus dem Untergrund heraus unter schwierigsten Bedingungen gegen das Regime, indem sie z.B. in Asmara Poster mit Protestslogans aufhängen. Zurzeit hat diese Bewegung noch wenig politischen Einfluss, aber sie wird stetig grösser. „Arbi Hanet“ hat als erste Quelle Informationen über diesen Cholera-Ausbruch über die sozialen Medien auch über die Landesgrenzen hinaus verbreitet. Doch letzte Woche hat ein Arzt in einer Gesundheitssendung auf dem staatlichen Fernsehsender EriTV das Thema ebenfalls angesprochen. Doch die Regierung versucht, die Informationen unter dem Deckel zu halten und hat seither nichts mehr darüber verlauten lassen.
Ich bin mir nicht sicher, wie viele Menschen sich bereits mit Cholera infiziert haben, aber in Eritrea gibt es ein enormes Wasserproblem. Nicht bloss das Trinkwasser ist knapp, die Leute haben kein Wasser, um sich ordentlich zu waschen. Diese Wasserknappheit ist also ein guter Nährboden für eine ansteckende Durchfallerkrankung wie die Cholera.


1 vgl. http://www.nzz.ch/zuerich/toni-locher-tueroeffner-fuer-das-abgeschottete-land-am-horn-von- afrika-mission-eritrea-ld.5917
[Stand: Sep. 2016]
2 vgl. http://www.nzz.ch/gesellschaft/aktuelle-themen/daniel-mekonnen-aus-eritrea-die-empoerung- eines-verbannten-ld.109154
[Stand: Sep. 2016]
3 vgl. http://www.20min.ch/schweiz/news/story/Asylbewerber-feiern-mit-Regimetreuen-24116650
[Stand: Sep. 2016]
4 http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/wenn-der-feind-des-asylsuchenden-uebersetzt/story/ 19141676
[Stand: Sep. 2016]
5 vgl. https://martinplaut.wordpress.com/2016/08/30/will-eu-aid-back-the-feared-janjaweeds-attacks- on-eritrean-refugees
[Stand: Sep. 2016]
6 vgl. https://www.theguardian.com/world/2016/jun/06/eu-sudan-eritrea-migration
[Stand: Sep. 2016]
7 vgl. http://www.newstatesman.com/world/europe/2016/05/europe-s-secret-deal-africa-s-dictators
[Stand: Sep. 2016]
8 vgl. http://www.spiegel.de/international/world/eu-to-work-with-despot-in-sudan-to-keep-refugees- out-a-1092328.html
[Stand: Sep. 2016]
9 vgl. https://www.hrw.org/news/2016/05/30/sudan-hundreds-deported-likely-abuse
[Stand: Sep. 2016]
10 vgl. http://www.derbund.ch/bern/nachrichten/Gestrandet-in-einem-Berner-Vorort/story/11387900
[Stand: Sep. 2016]
11 vgl. http://www.nzz.ch/schweiz/aktuelle-themen/eritrea-il-ld.91294
[Stand: Sep. 2016]
12 vgl. http://www.nzz.ch/international/asylsuchende-aus-eritrea-schweiz-weist-neu-minderjaehrige- aus-ld.118638
[Stand: Sep. 2016]
13 vgl. http://hrc-eritrea.org/hrce-sends-a-letter-to-rt-hon-theresa-may-mp-on-inaccurancies-on-home- office-guidlines-on-eritrea
[Stand: Sep. 2016]
14 vgl. http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Eritrea-treibt-bei-Fluechtlingen-Steuern-ein/ story/26925001
[Stand: Sep. 2016]
15 vgl. http://www.nzz.ch/schweiz/kein-verfahren-gegen-eritreas-steuereintreiber-1.18652161
[Stand: Sep. 2016]
16 vgl. https://www.google.ch/#q=Nevcun+%2B+Canada+%2B+Eritrea
[Stand: Sep. 2016]
17 vgl. http://www.ccij.ca/news/slave-labour-lawsuit-against-canadian-mining-company
[Stand: Sep.2016]
18 vgl. https://martinplaut.wordpress.com/tag/freedom-friday
[Stand: Sep. 2016]
vgl. ebenso http://www.everydayrebellion.net/meron-estefanos-freedom-friday-movement-in-eritrea-english-with- spanish-subtitles
[Stand: Sep. 2016]