Trotz dem Regen protestieren am 22. Juni 2024 über 2000 regimekritische Eritreer*innen gegen die Einflussnahme der eritreischen Diktatur und fordern die Schweizer Politik auf, Eritreer*innen Schutz zu gewähren statt sie zu diskriminieren. Die Demonstration startet auf dem Bundesplatz und zieht durch die Berner Innenstadt. Es beteiligen sich regimekritische Eritreer*innen aus allen Schweizer Landesteilen. Auf dem Bundesplatz und auf dem Münsterplatz werden Reden gehalten, in denen ein Ende der transnationalen Repression gegen Eritreer*innen gefordert wird und die Schweizer Behörden aufgefordert werden, Eritreer*innen nicht in Gefahr zu bringen.
„Mit der Demonstration wollen wir Hass und Hetze der Rechten stoppen. Und uns unser Recht, in Würde zu leben, zurückholen.“
Verband F vorläufig aufgenommener Eritreer*innen
Wir haben vier Forderungen:
1. Abschaffung der Passbeschaffungspflicht für Eritreer*innen
2. Keine Ausschaffungen – weder nach Eritrea noch Ruanda oder andere Staaten
3. Propagandafestivals des Diktators stoppen
4. Rassismus und SVP-Hassreden gegen Eritreer*innen stoppen
Organisiert wird der Protest vom Verband F-Vorläufig aufgenommene Eritreer*innen, Aktivist*innen der Bewegung Blue Revolution, dem Eritreischen Medienbund Schweiz und dem Migrant Solidarity Network.
„Anstatt Eritreer*innen den nötigen Schutz zu gewähren, arbeiten die Behörden und die rechten Parteien in der Schweiz gegen uns.“
Eritreischer Medienbund Schweiz
Die vier Forderungen der Demonstration beziehen sich auf Kampagnen und Themen, die in den letzten Monaten die exilpolitischen und regimekritischen Eritreer*innen beschäftigt haben.
Passbeschaffungspflicht für Eritreer*innen abschaffen
Eritreer*innen mit F-Status, die in der Schweiz eine Aufenthaltsbewilligung B beantragen, heiraten wollen oder Familiennachzug machen möchten, müssen einen gültigen eritreischen Pass vorweisen. Dies, obwohl die eritreische Botschaft in Genf unzumutbare und unzulässige Bedingungen stellt. Dagegen wurde bei den Kantonen, die einen Handlungsspielraum haben, eine Petition eingereicht. Diese hat bisher nicht zum Ziel geführt.
Um einen Pass zu erhalten muss rückwirkend auf das gesamte in der Schweiz verdiente Einkommen eine 2% Diasporasteuer bezahlt werden, obwohl der UNO-Sicherheitsrat Mitgliedstaaten seit 2011 auffordert, diese Steuer zu verbieten. Laut einer holländischen Studiefinanzieren diese Einnahmen Menschenrechtsverletzungen in Eritrea. Wer einen Pass beantragt, muss zudem eine Reue-Erklärung unterschreiben, in der sich die Personen selbst beschuldigen, dem Regime untreu geworden zu sein und allfällige Bestrafungen im Falle einer Rückkehr akzeptieren. Dies verstösst gegen Rechtsprinzipien der Bundesverfassung. In Deutschland wurde die Passbeschaffungspflicht aufgrund dieses Selbstbelastungszwangs abgeschafft (vgl. auch das Rechtsgutachten von ProAsyl). In der Schweiz verweigert das SEM diesen Schritt bisher, obwohl kantonale Verwaltungsgerichte in Zürich, Genf und Bern die Zulässigkeit und Zumutbarkeit der Passbeschaffungspflicht in Frage stellen.
„Die Passbeschaffungpflicht ist unzumutbar“
Verband F vorläufig aufgenommener Eritreer*innen
Eritreer*innen müssen ihre Identität der eritreischen Regierung preisgeben. Sie werden somit erpressbar, da ihre Familienangehörige in Eritrea von der Regierung unter Druck gesetzt werden können. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele.
Propagandafestivals und Einflussnahme des Diktators verhindern
„Der lange Arm des Diktators reicht von Eritrea bis in die Schweiz.“
Blue Revolution
In der Schweiz veranstalten die eritreische Botschaft und Konsulate auf Geheiss des eritreischen Regimes regelmäßig so genannte „Kultur- oder Generationenfeste“. Diese dienen der Diktatur als Propagandaplattform. 2019 war aus diesem Anlass sogar der eritreische Aussenminister Osman Saleh in der Schweiz. An diesen Veranstaltungen wird verfassungs- und demokratiefeindliche Propaganda verbreitet. Zudem wird damit die hiesige Diaspora kontrolliert und es wird Geld für das Regime gesammelt. Geflüchtete Eritreer*innen können sich in der Schweiz nicht öffentlich positionieren, ohne dass sie Angst haben müssen um ihre Angehörigen und Freund*innen in Eritrea. Dem Umfeld in Eritrea drohen Inhaftierung oder Folter. Offene Regimekritiker*innen werden in der Schweiz auch aktiv bedroht und erpresst. Recherchen haben gezeigt, dass gar eritreische Spione als Übersetzer bei den Migrationsbehörden fungieren.
Ausschaffungen nach Ruanda oder andere Drittstaaten verhindern
„Die parlamentarischen Angriffe sind diskriminierend und müssen als strukturell rassistisch eingestuft werden.“
Migrant Solidarity Network
Am 13. Juni 2024 entschied das Parlament, abgewiesene Eritreer*innen nach Ruanda oder in einen anderen für sie völlig unbekannten Drittstaat ausschaffen zu wollen. Dieser Entscheid ist einseitig diskriminierend gegenüber den ungefähr 300 Eritreer*innen, die – wie alle abgewiesenen Personen – in der Nothilfe blockiert werden. Die Abweisung des Asylgesuchs ist ohnehin willkürlich, für die Abgewiesenen wäre eine Rückkehr nach Eritrea äusserst gefährlich. Dass das Parlament sie nun zusätzlich bestraft, verstösst gegen das völker- und verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot.
Rassismus und SVP-Hassreden gegen Eritreer*innen stoppen
Rechte Hetze traf vor 50 Jahren die Italiener*innen:„Werft sie raus! Jagt sie weg!”. Vor 30 Jahren waren es die Tamil*innen und Kurd*innen, die von Neonazis durch die Strassen gejagt und ermordet wurden. Vor 13 Jahren führte die SVP die rassistische Wahlkampagne „Kosovaren schlitzen Schweizer auf”, usw. Aktuell richtet sich die rechte Hetze gegen Eritreer*innen, mit schlimmen Folgen wie der Asylpraxisverschärfung von 2016 und jetzt mit den Ausschaffungen nach Ruanda.