Statement zum EGMR-Beschluss zur Wegweisung eines eritreischen Asylsuchenden vom 20. Juni 2017
Im Entschluss vom 20.6.2017 hält der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass die Schweiz in diesem Fall mit der Abweisung eines eritreischen Asylsuchenden das Folterverbot nicht verletzt. Der Entscheid, ob eine Wegweisung nach Eritrea das Verbot von Zwangsarbeit verletzt, muss nun vom Schweizer Bundesverwaltungsgericht gefällt werden. Der EGMR spricht von besorgniserregenden Zuständen in Eritrea, jedoch keiner allgemeinen Gewalt, das heisst Bürgerkrieg.
Die Menschenrechtslage in Eritrea gilt somit nicht als hinreichender Asylgrund, so dass für eine Asylaufnahme weitere persönliche Gründe notwendig sind. Dies ist problematisch: Das Vorweisen faktischer Beweise, die eine Gefährdung im Heimatland belegen würden (wie Drohdokumente) ist meist nicht möglich. Der EGMR bestätigt diesen Umstand. Die Überprüfung der Konsequenzen, welche eine Rückkehr der Eritreer*innen nach sich zieht, ist schwierig zu überprüfen, da Eritrea kein Rechtsstaat ist und keine verfassungsrechtliche Regelungen kennt. Somit ist die Gefahr einer Fehleinschätzung bei Wegweisungen von eritreischen Asylsuchenden gegeben. Der EGMR mahnt zur sorgfältigen Prüfung, ob einem oder einer Asylsuchenden bei Rückkehr politische Verfolgung droht und stützt sich dabei auf Berichte von UNO und Amnesty International, welche die besorgniserregende Situation in Eritrea beschreiben. Der aus der zweiwöchigen Fact Finding Mission hervorgegangene Bericht der Schweiz 2017 weist vor diesem Hintergrund Defizite auf. Wie allgemein festgehalten wird, ist die Situation in Eritrea aus ausländischer Sicht derzeit nicht hinreichend beurteilbar. Die zukünftige Verwendung verlässlicher Quellen als Stütze bei politischen Entscheidungen zu Eritrea in der Schweiz muss klargestellt werden.
Die Rückführung ins Land zu verharmlosen mit dem Argument, dass viele Asylsuchende aus Eritrea Ferienreisen in ihr Heimatland unternehmen, ist zusätzlich unzureichend. Die Schweiz registriert lediglich Ausreisen von Asylsuchenden, jedoch nicht die Destination. Reisen finden vor allem in umliegende Länder statt, wo eine grosse eritreische Diaspora vorhanden ist. Ferienreisen nach Eritrea sind für eritreische Asylsuchende verboten.
Positiv geht aus dem Fall hervor, dass das Schweizer Bundesverwaltungsgericht aufgefordert wird zu prüfen, ob der eritreische Nationaldienst als Zwangsarbeit eingestuft werden muss. In diesem Falle wäre dies ein Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention und ein Rückführungshindernis.
Gemäss EMRK Art. 4 fällt unter Zwangsarbeit die staatliche Anordnung von Zwangsarbeit, nicht jedoch die Verrichtung eines Militär- oder Zivildienstes. Wir grenzen den eritreischen Nationaldienst klar von Militärdiensten ab. Der eritreische Nationaldienst beschränkt die Freiheit der Verrichtenden auf unbestimmte Zeit und setzt sie der willkürlichen Verfassungslosigkeit des Landes aus. Wir erwarten einen entsprechenden Entscheid vom Bundesverwaltungsgericht.
Letztlich stellt sich in diesem Falle wie oft die Frage, wo der abgewiesene Asylsuchende verbleibt. Die Schweiz hat kein Rückführungsabkommen mit Eritrea, sodass Personen nicht zurückgenommen werden. Faktisch bleiben die abgewiesenen Asylbewerber in der Schweiz. Durch ihren Status ist es ihnen nicht möglich, Arbeit zu finden oder an der Gesellschaft teilzuhaben. Dadurch bleibt den abgewiesenen Asylbewerbern nur der unmenschliche und entwürdigende Ausweg in die Papierlosigkeit.